Statement der Kuratorin Ronja Bak:

In dieser Ausstellung eröffnen zwei kraftvolle Positionen miteinander das Gespräch. Auf der einen Seite die textilen Skulpturen der in Hannover ansässigen, ukrainischen Künstlerin Anna Eisermann, die uns über Körperlichkeit, Wesenszüge und Menschlichkeit philosophieren lassen. Auf der anderen Seite eine Rauminstallation des Hamburger Künstlers Christoph Wüstenhagen, der seine abstrakten, unbeschwerten Malereien auf zarten Seidenstoff bügelt.

Ausgangspunkt für das Gespräch war die Fragestellung, inwieweit die jüngste Vergangenheit den künstlerischen Ausdruck der beiden beeinflusst hat und wie sie über den Beruf des Künstlers/ der Künstlerin hinaus die Auswirkungen der Corona Pandemie auf das soziale Miteinander und die interkulturelle Kommunikation bewerten. Reflektiert wurden Begriffe wie Einsamkeit, Isolation und Distanzierung, aber auch Sehnsüchte, Verlangen und Rückbesinnung. So entstand ein Ausstellungskonzept in dem eine Festtafel, sonst Symbol des geselligen Beisammenseins, seiner Funktion enthoben und zu eine narrativen Skizze wird. Die Illusion einer Zusammenkunft, deren Gäste deplatziert wirken und deren nonverbale Kommunikation zu scheitern droht.

All diese Überlegungen entstanden vor dem 24. Februar – vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Plötzlich ist die jüngste Vergangenheit eine ganz andere. Die Pandemie rückt in den Hintergrund und es ist völlig ungewiss was die kommenden Tage, geschweige denn Wochen bringen.
Mit großer Sorge schauen wir auf die Ukraine, versuchen zu helfen, versuchen zusammen die Hilflosigkeit auszuhalten. Mit überwältigendem Engagement entstehen um uns herum Initiativen der Solidarität. Der Ausstellungstitel „Das Imperfekt“ bekommt eine neue Konnotation und uns wird bewusst, wie ungewiss und unkontrollierbar das Leben zu jedem Zeitpunkt ist. Auch wenn wir uns zunächst gelähmt fühlten, haben wir uns entschieden diese Ausstellung nicht nur trotz, sonder gerade wegen der aktuellen Situation zu realisieren und den Raum zu öffnen für ein gemeinsames Wahrnehmen des unvollendeten Zeitgeschehens.

Ergänzend zu den genannten Positionen wird die Künstlerin Galina Nikitina zu Wort kommen, die sich aktuell in der Ukraine befindet und ihr Zuhause in Kiew verlassen musste.

Das Imperfekt. Anna Eisermann & Christoph Wüstenhagen.
Curated by Ronja Bak
PARADAISER.ART – Galerie für junge, zeitgenössische Kunst
26 march – 30 april, 2019
opening friday, 25 march, 2022, 7 p.m.